Baden-württembergische Nonnen ein Auslaufmodell?

„Wann immer es die Umstände zulassen, müssen wir Verfassungsrichter auch auf die Schüler zugehen und ihnen die Bundesrepublik und unseren Rechtsstaat nahe bringen. Wir haben da so eine Art Bringschuld und ich mache das gern.“

Mit diesen Worten begründete der Karlsruher Verfassungsrichter Ferdinand Kirchhof bei seinen Besuch am KvfG am 28.04.2009 seine Zustimmung, mit den Elfklässlern im Rahmen des Gemeinschaftskundeunterrichts zwei Stunden lang über die Arbeit des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG), seine Arbeit als Verfassungsrichter, sowie über das von ihm mit erarbeitete Kopftuchverbot für Lehrerinnen an baden-württembergischen Schulen zu diskutieren und zu informieren. Nachdem er selbst einige Dinge in einer für die Schüler angemessenen Art ausgeführt hatte, stieg Professor Kirchhof sehr schnell in das Gespräch mit diesen ein und verstand es mit seiner freundlichen und nahbaren Art die anfängliche Scheu und Distanz abzubauen. In einer ersten Fragerunde, welche sich insbesondere um das BVerfG, sowie Kirchhofs Arbeit als Verfassungsrichter drehte, stellten die Schüler, mit Unterstützung einiger anwesender Lehrer, Fragen, welche von formalen Aspekten, wie die Frage nach der Entscheidungsfindung innerhalb der Senate, über normative Fragen bis hin zu privaten Fragen, wie beispielsweise die Frage nach der Vereinbarung eines solch umfangreichen und verantwortungsvollen Amtes mit der Verantwortung der eigenen Familie gegenüber, reichten. Dabei gewährte Professor Kirchhof den Schülern einen durchaus selbstkritischen Blick auf das Amt und seine Tätigkeit als Verfassungsrichter. Darüber hinaus machte er sehr deutlich, dass das Verfassungsgericht nicht nach subjektiven Maßstäben, sondern allein auf der Grundlage des Grundgesetzes entscheidet. Der zweite Teil der Veranstaltung bestand in einer Diskussion über das Kopftuchverbot in Baden-Württemberg. Dieses Thema, welches bereits im Unterricht zu regem Interesse und emotionalen Beteiligungen vieler Schüler geführt hatte, wurde auch von einigen Schülern, und insbesondere Schülerinnen, intensiv und engagiert mit Professor Kirchhof diskutiert. Fragen nach religiöser Gleichberechtigung und Wertevermittlung begegnete Professor Kirchhof dabei in einer seriösen, vielfach aber auch humorvollen Art, wie zum Beispiel als er das Unterrichten einzelner baden-württembergischer Nonnen in Tracht an öffentlichen Schulen sinngemäß als „Auslaufmodell“ bezeichnete. Obwohl sich Professor Kirchhof bei manchen dieser Fragen weniger deutlich positionierte und dadurch das Diskussionsbedürfnis der Schüler teilweise abschwächte und dem einen oder anderen eventuell ihre Fragen nicht zur völligen Zufriedenheit beantwortete, konnten sich die Schüler mit ihren Fragen doch jederzeit einbringen und ernst genommen fühlen.

Was bleibt nun als Erkenntnis aus dieser Veranstaltung? Ich denke, dass das abstrakte Amt des Verfassungsrichters und damit das Bundesverfassungsgericht als bundesstaatliches Organ in Person von Professor Kirchhof  für die Schüler  (und anwesenden Lehrer) greifbar und nachvollziehbar wurde und somit die Veranstaltung für alle gewinnbringend war. Nicht zuletzt für Professor Kirchhof, der neben einem von Herrn Gugel überreichten Glas Honig weitere Einblicke in die Wahrnehmungen und Ansichten von Schülern bekam und somit hoffentlich gerne einmal wiederkommt.

Siehe hierzu auch: Richtiger, Artikel zum gleichen Thema in BeeHive.

Art 5 GG

(1) Jeder hat das Recht, seine Meinung in Wort, Schrift und Bild frei zu äußern und zu verbreiten und sich aus allgemein zugänglichen Quellen ungehindert zu unterrichten. Die Pressefreiheit und die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film werden gewährleistet. Eine Zensur findet nicht statt.

Einerseits. Andererseits:

Um die Staatssicherheit zu gewährleisten und die Bevölkerung vor Terrorismus und anderen Verbrechen zu schützen, haben alle Staaten das Recht, bestimmte Inhalte von Internet-Seiten zu blockieren.

Das erste Zitat ist Art 5 I GG – das zweite Zitat stammt von der Delegation Chinas beim Vorbereitungstreffen zum Internet Governance Forum (Quelle) und geht wie folgt weiter:

Und wir glauben, dass alle Länder dies jetzt anstreben.

So unrecht haben die Chinesen nicht: Waren die Medien und die Reden der Politiker/innen noch während Olypmia voller Kritik gegenüber der chinesischen Sperrpraxis, so haben sich seit dem die Gewichte verschoben: Auch in Deutschland geht es inzwischen um den Einstieg in die staatliche Kontrolle des Internets.

Den Anfang macht hierbei U.v.d.Leyen mit einem Gesetzentwurf zur Sperrung von Kinderpornoseiten.

Was soll man / frau hiergegen auch schon haben? Das Verbot von Kinderpornografie, von dokumentiertem Missbrauch wiegt auf jeden Fall schwerer als das Recht auf freie Meinungsäußerung – keine Frage. Trotzdem regt sich vor allem im Netz heftigster Widerstand gegen diesen Gesetzesentwurf.

Die Argumentation der Gegner ist an den folgenden Stellen bestens zusammengefasst und muss hier nicht in voller Breite wiederholt werden:

Weitere ausführliche Informationen sind hier zu finden:

Klar ist also inzwischen, dass weder die Datenbasis der Sperrbefürworterin noch die von ihr behaupteten Zusammenhänge stimmen. Weiter ist die für die Sperrung vorgesehene Technologie untauglich, das Ziel zu erreichen –  dafür sind aber die Kollateralschäden für die Grundrechte massiv. Ohne unausgewogen zu sein, kann inzwischen gesagt werden, dass es sich bei dem Gesetzentwurf im besten Fall um einen Akt symbolischer Politik handelt – allerdings um einen meiner Meinung nach zu tiefst unmoralischen, weil hier Missbrauchsopfer zum Objekt einer wahlkämpfenden Politikerin werden.

Ehrlich und angemessen wäre das folgende Vorgehen gegen pädophile Seiten im Netz:

  1. Unbedingten Vorrang hat immer die Löschung von kinderpornografischen Seiten sowie die strafrechtliche Verfolgung der Betreiber derartiger Sites. Die hierzu ermächtigten Institutionen (Staatsanwaltschaften) sind mit entsprechenden Mitteln (Personal, Technik) auszustatten.
  2. Eine Sperrung von Seiten innerhalb der EU, USA, Kanada, Australien und Japan […] darf zu keinem Zeitpunkt vorgenommen werden, da hier a) in jedem Fall die gesetzlichen Grundlagen für eine Löschung vorhanden sind und b) die Behörden und Provider nachweislich sofort handeln. Internationale Abkommen zu einem verbesserten Schutz von Kindern vor Missbrauch sind mit den notwendigen Ressourcen zu stützen, um die Liste der kooperierenden Länder zu erweitern.

Erst wenn die angeführten Schritte nachweislich keinen Erfolg gehabt hätten, könnte überhaupt eine Diskussion darüber beginnen, ob eine Seite auch gesperrt werden darf. Da aber alle technischen Lösungen bei der Sperrung von Internetseiten Kollateralschäden produzieren, wären technische Verfahren einzusetzen, die am gezieltesten auf Einzeladressen wirken, aber in dieser Form (ohne eine kompletten Umbau des Internets) nicht existieren.

Die Technik ist bei diesem Thema aber nicht unbedingt das Hauptproblem – zentral wären die Argumente in einer derartigen Diskussion:

Sperren müssten von einem Richter, evtl. sogar von einem Richtergremium angeordnet werden, nachdem dieser/s die beanstandete Seite selbst begutachtet hat und sich davon hat überzeugen können, dass eine Löschung der Inhalte nicht möglich ist.  Die hier zur Anwendung kommenden Kriterien wären gesetzlich klar zu formulieren.

Einzelne Zugriffe auf gesperrte Seiten rechtfertigen noch lange kein Vorgehen gegen den Zugreifenden. Vielmehr muss ein systematisches Suchen nach kinderpornografischen Materialien gegeben sein, um einen Verdacht zu rechtfertigen, sollen nicht die Internetnutzer/innen als Gesamtgruppe kriminalisiert werden.

Außerdem wären Vereinbarungen, Regelungen, Verträge, Verfahren und Vorgehensweisen gegenüber der Öffentlichkeit transparent zu machen. In einem Rechtsstaat dürfen Verfahrensweisen und Technologien nicht nur für die Blöden (hier: die DAUs) wirksam sein. Transparenz beim Vorgehen und die Verhältnismäßigkeit der Mittel sind grundlegende demokratische Prinzipien.

Die Umsetzung eines derartigen Netzsperrengesetzes ist ein so umfassender Eingriff in die Grundrechte, dass dieses a) wissenschaftlich und b) von einem einzurichtendem parlamentarischen Gremium zu begleiten wäre. Die beteiligten Wissenschaftler und Parlamentarier müssten, um ihrer Kontrollaufgabe nachkommen zu können, Vollzugriff auf alle relevanten Daten, Akten und Verfahrensweisen der beteiligten Behörden haben. Ein Aussageverweigerungsrecht für Behördenmitarbeiter dürfte – außer in den nach rechststaatlichen Kriterien schon geregelten Fällen – nicht existieren. Derartige Gesetze sollten in ihrer Gültigkeit auf 5 Jahre beschränkt werden, um eine parlamentarische Reflexion über die Vor- und Nachteile sowie unerwünschten Nebenwirkungen zu erzwingen.

Keiner der genannten Punkte spielte in der vergangenen Diskussion auch nur eine Rolle am Rande. Es dominierten stigmatisierende Äußerungen, die Missbrauchsopfer wie auch auch Bürgerrechtsaktivisten in einen Korb mit Pädophilen warfen. Sachlich richtige Argumente völlig unverdächtiger Experten (wissenschaftlicher Dienst des Bundestages, Gesellschaft für Informatik) wurden ignoriert, es dominierten Stimmungsmache und Populismus in einem Umfang, dass mir stellenweise richtiggehend schlecht wurde.

Da die Analyse der in die Öffentlichkeit gelangten Sperrlisten aus anderen (westlichen!) Ländern den Verdacht rechtfertigt, dass dort das Thema Kinderpornografie nur Vorwand für den Aufbau einer Internetzensurinfrastruktur war, sollten wir gewarnt sein. Der Schutz der Grundrechte aller (!) Beteiligten ist möglich und lässt sich ganz einfach zusammen fassen:

Nicht sperren, sondern löschen!

Hans Albert

Aus aktuellem Anlass – der Bezug ergibt sich aus unserer Stunde zum Thema Letztbegründung von Menschenrechten aus Sicht des kritischen Rationalismus – hier ein Interview des SWR mit Hans Albert:

http://mp3.swr.de/swr2/zeitgenossen/sendungen/2009/04/13/20090413-1705.6444m.mp3

Die Ankündigung von der Webseite des SWR:

Prof. Dr. Hans Albert, geboren 1921, Emeritus der Universität Mannheim, ist einer der bedeutendsten deutschen Wissenschaftstheoretiker. Sein Name ist eng mit dem “Kritischen Rationalismus” verbunden. Neben Karl R. Popper gilt Albert als der einflussreichste Vertreter dieser Denkrichtung, die maßgeblich er in Deutschland bekannt gemacht hat. Alberts Hauptbetätigungsfelder sind die Sozialwissenschaften und die Methodenlehre, es gibt jedoch viele Berührungspunkte zu anderen Disziplinen, wie der Philosophie, der Ökonomie, der Theologie und den Rechtswissenschaften.

Wer es eilig hat und das Geplänkel zur persönlichen Geschichte überspringen will – ca. ab der 15. Minute kommt Albert zu einer ersten Zusammenfassung der Philosophie des Kritischen Rationalismus und den Konsequenzen der Erkenntnisse für das “normale Leben”, die Wissenschaften und die Politik unter besonderer Berücksichtigung der Studentenproteste von 68 und des Positivismusstreits. Am Ende des Beitrags erneuert Albert dann seine Religionskritik, lobt Schweitzer und rügt Benedikt.

Weitere Informationen zum Thema Albert sind hier zu finden:

… jeweils mit vielen weiterführenden Links.

Im gleichen Kontext sind auch die Beiträge der SWR2 Aula zum Thema “Funktion von Ritualen” zu hören und zu interpretieren: Teil1, Teil2

Menschenrechte

Die Folien für und aus der Einstiegsphase zur Einheit Menschenrechte:
View more presentations from dowel.
Zu beachten ist hier, dass eine Legende eigentlich fehlt. Diese sei hier nachgereicht. Die Zeichen in den Überschriften bedeuten unter Bezugnahme auf die Y-Achse:
:
  • (+) wirkt positiv
  • (-) wirkt negativ
  • (0) wirkt in der Summe neutral

Die Karten können nun auf einer zeitlichen Achse abgelegt und dann auf einer y-Achse verschoben werden. Hierbei ist zu klären, was die y-Achse eigentlich ist. Bisher sind wir davon ausgegangen, dass es sich um “den Grad der Bedeutung für unsere heutige Position zum Thema Menschenrechte” handelt. Eine rein inhaltliche Begründung erscheint uns vor diesem Hintergrund im Moment nicht möglich zu sein.

Die Geschichte der Piraterie

Fuffzehn Mann auf des toten Manns Kiste,
Ho ho ho und ‘ne Buddel mit Rum!
Fuffzehn Mann schrieb der Teufel auf die Liste,
Schnaps und Teufel brachten alle um! Ja!
Fuffzehn Mann auf des toten Manns Kiste,
Ho ho ho und ‘ne Buddel mit Rum!
Fuffzehn Mann schrieb der Teufel auf die Liste,
Schnaps und Teufel brachten alle um! Ja!
Schnaps und Teufel brachten alle um!

Traditionelles Volkslied / Seemannslied


Die Geschichte der Piraterie

Piraterie [über lateinisch-italienisch von griechisch peirate̅́s] die, -/…’ri|en, die Seeräuberei. Piraterie besteht im Regelfall im Kapern anderer Schiffe; im weiteren Sinne umfasst sie auch Überfälle auf Ziele an Land (historisch gesehen sogar ganze Städte), die von Schiffen oder Booten aus durchgeführt werden.

[aus: Meyers Lexikon Online]

Die Piraterie ist ein uraltes Geschäft und besteht schon, seit es die Seefahrt und den Seehandel gibt, das heißt seit über 3000 Jahren.

Die Piraterie kann man oft in Verbindung mit Kriegen bringen, aber auch mit Handel und sozialem Wohlstand. Im Grunde ging es immer darum, Geld zu gewinnen oder sogar Reichtum zu erlangen.

Besonders beliebt bei den Piraten sind Meeresengen oder Wege durch Inselgruppen hindurch, um einen Überfall zu begehen. Das war früher schon so und hat sich bis heute nicht verändert.

Die Geschichte der Piraterie – von der Antike bis zur Neuzeit

Während der Antike war die Piraterie eine gewöhnliche, aber gefährliche Arbeit. Sie wurde zu dieser Zeit hauptsächlich in küstennahen Gebieten ausgeübt und war vor den Küsten aller Meeresanrainer zu finden.[1] Zunächst fuhr man mit kleinen Booten zu küstennahen Orten und plünderte diese. Ab 600 v. Chr. war es dann jedoch auch möglich, Schiffe auf See zu verfolgen: die Piraten benutzten nun Triere[2], Galeeren[3] mit drei Reihen von Rudern übereinander, oder auch Biremen mit zwei Ruderreihen.[4]

Die Piraterie vom Seekrieg zu unterscheiden, war oftmals schwer.[5] Im ersten Jahrhundert vor Christus breitete sich die Piraterie über das gesamte Mittelmeer aus und wurde damit zu einer wachsenden Bedrohung für den Handel.[6] Die Römer, die sich zunächst nicht besonders mit dieser Thematik auseinandersetzten[7], mussten sich im Jahre 67 v. Chr. dann doch gegen die Piraterie wehren, da diese ihre Nahrungsmittelzufuhr gefährdete. Es wurde ein Seekrieg ausgefochten, der die Piraterie in dieser Gegend zwar stark zurückdrängte, aber nicht völlig vernichtete.[8]

Im Mittelalter wurde die Piraterie vor allem von den Wikingern ausgeübt. Zwischen dem achten und elften Jahrhundert überfielen sie viele Städte und Klöster an den Küsten Nordeuropas und übten damit Angst und Schrecken aus[9], vor allem dann, wenn sie die Einwohner gefangen nahmen und in die Sklaverei verschleppten.[10]

Ende des 14. Jahrhunderts wurden die Küsten im Norden dann von Störtebecker und seiner Mannschaft dominiert.[11]

Doch auch in Ostasien entdeckten die Japaner die Vorteile des Piratenlebens für sich und machten im 13. und 14. Jahrhundert die Küsten um Korea und China unsicher.

Die Chinesen folgten ab dem 16. Jahrhundert diesem Beispiel. Sie folgten, wie auch die Wikinger, den Flussläufen mit ihren Booten und konnten so in Städte einfallen.

Im 16. Jahrhundert konnten auch an der Karibik und an den Küsten Südamerikas Piratenüberfälle vermerkt werden. Hierbei ging es nur um den Gewinn, den Frankreich, England und die Niederlande für sich steigern wollten.

Erst als um 1690 eingesehen wurde, dass es wichtiger ist, einen sicheren Seehandel zu betreiben als kurzfristige Erfolge zu vermerken, ging die Piraterie zurück.[12]

Berühmt – berüchtigt wurden zwischen 1500 und 1550 die Brüder Arudj und Kheir–ad–din Barbarossa. Im gesamten Mittelmeerraum wurden die Korsaren wegen ihrer brutalen Überfälle gefürchtet. Wie viele andere muslimische Piraten auch überfielen sie christliche Schiffe und Küstensiedlungen, wozu ihre Regierungen sie auch authorisiert hatten.[13] Im Gegenzug dazu griffen jedoch auch christliche Schiffe muslimische an. Die Religionsvertreter fochten bereits ab Ende des 11. Jahrhunderts ihren „Heiligen Krieg“ auf dem Meer aus.[14]

Das Goldene Zeitalter der Piraterie brach zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert an. Aus dieser Zeit stammen die Vorstellungen des „typischen“ Piraten, wie wir sie heute haben: mit Augenklappe und Holzbein, der ein abenteuerliches Leben führt usw. In dieser Zeit war es wohl am gefährlichsten, auf der See unterwegs zu sein, da es sehr viele Piraten gab und auch sehr viele verschiedene Formen der Piraterie: Es gab die Freibeuter (die Schiffe gehörten ihren jeweiligen Landesherren), die Kaperer (wurden vom Staat lizenziert Überfälle zu begehen), die Bukanier (die Schiffe gehörten Gouverneuren und Aktionären) und die „gewöhnlichen“ Piraten (die Schiffe gehörten ihnen selbst). Piraten dieser Zeit waren z.B. Blackbeard oder Captain William Kidd, welcher einst Piraten jagen sollte, sich ihnen jedoch am Ende selbst anschloss und dafür gehängt wurde. Die Romane mancher Schriftsteller, die zu dieser Zeit über „fiktive Piratengestalten“ geschrieben wurden – z.B. Robert Louis Stevensons John Silver – taten ihr übriges um ein bestimmtes Bild von Piraten zu erstellen.[15]

Der Einsatz der Kaperbriefe wurde sehr beliebt, vor allem im indischen Ozean und der Karibik. So war es z.B. Francis Drake möglich, den Ruf als „Pirat im Dienst der Queen“ zu erlangen.[16]

Wie kann man sich ein Leben als Pirat der damaligen Zeit vorstellen?

Es muss ein sehr anstrengendes Leben gewesen sein. Erst musste man lange Zeit auf dem Boot verharren, Wind und Wetter trotzen, sich das Essen wahrscheinlich mit Mäusen und Ratten teilen. So heiß und anstrengend die Arbeit an Deck tagsüber war, so wenig Erholung konnte sich die Crew nachts erhoffen, wenn sie sich dicht aneinander gedrängt in den unteren Decks zum Schlafen legte, direkt über dem stinkenden Bilgenwasser (Leckwasser im Kielraum[17]), zusammen mit den Ratten.

War es dann Zeit für einen Überfall, musste man schnell aktiv werden, seine gesamte Kraft aufbringen, das fremde Schiff entern, ausrauben und gegen die Besatzung kämpfen. Für die Verletzungen, die während der Kämpfe entstanden, gab es keine medizinische Versorgung. Und nach den Überfällen kam wieder das lange Warten auf das nächste Schiff. Wahrscheinlich war es die beste Zeitvertreibung, zu trinken oder Würfelspiele zu spielen.

Wenn die Piraten an Land kamen, versoffen und verspielten sie nicht selten gleich ihr ganzes Geld oder gaben es für Frauen aus. So war es möglich, dass innerhalb weniger Tage der gesamte Vorrat wieder verschwunden war. An Land mussten außerdem wichtige Arbeiten und Reparaturen am Schiff gemacht werden, damit es wieder startklar für die nächste Reise war. Außerdem musste für neue Vorräte gesorgt werden.

Obwohl es einen Kapitän an Bord ein jedes Piratenschiffes gab, hielt sich die Crew hauptsächlich an bestimmte Regeln.[18] Diese waren:

– Alle wichtigen Entscheidungen müssen zur Abstimmung gebracht werden.

– Jeder, der beim Stehlen erwischt wird, soll ausgesetzt werden.

– Alle Pistolen und Entermesser müssen sauber gehalten werden.

– An Bord sind keine Frauen erlaubt.

– Jeder, der während einer Schlacht vom Schiff desertiert, wird hingerichtet.

– Alle Streitigkeiten innerhalb der Mannschaft werden an Land beigelegt.

– Der Kapitän und der Quartiermeister erhalten je 2 Teile der Beute, der Hauptkanonier und der Bootsmann 1 1/2 Teile, andere Offiziere 1 1/4 Teile und alle anderen Besatzungsmitglieder je einen Teil.

– Alle Verletzungen werden entschädigt. Jeder, der ein Körperglied während eines Kampfes verliert, erhält einen Extraanteil der Beute.

Die damalige Währungseinheit waren die Achterstücke, pieces-of-eight. Ein Achterstück entspricht 0,96US-$. Wenn man beim Kampf ein Auge verloren hatte, bekam man 100 Achterstücke. Für den Verlust des linken Armes bekam man 500, für den des rechten 600, für den eines Fingers 100, für den des rechten Beines 500 und für den Verlust des linken Beines 400 Achterstücke. [19]

Die Nahrung der Piraten war wahrscheinlich nicht besonders abwechslungsreich. Zu Trinken gab es neben Wasser Bier in Flaschen, welches sehr lange haltbar war. Zitrusfrüchte verhinderten eine Erkrankung an Skorbut. An Bord wurden teilweise lebende Hühner gehalten, um frische Eier und Fleisch zu liefern. Fleisch konnten die Piraten auch von Meeresschildkröten erhalten – vermutlich waren diese ihr Hauptnahrungsmittel.

Die Waffen, die die Piraten benutzten, waren mit denen der anderen Schiffsreisenden gleichzustellen – wurden andere Schiffe überfallen, fielen die Waffen natürlich in den Besitz der Piraten. Gerne verwendeten die Piraten ein Entermesser, welches eine kurze aber breite, und damit sehr praktische Klinge hatte. Die Muskete wurde auch gerne benutzt, denn ihr kurzer Lauf war nicht nachteilig, da die Piraten ja beim Entern eines Schiffes in kurzer Distanz zu ihren Feinden waren. Die Steinschlosspistole wurde aufgrund ihrer Leichtigkeit gerne benutzt. Allerdings konnte man ohne nachzuladen nur einmal schießen, und nass werden durfte sie auch nicht. Falls dies passierte, konnte man immer noch mit dem Griff auf den Gegner einschlagen. Desweiteren wurden Dolche oder auch Äxte, die eigentlich für Arbeiten am Boot gedacht waren, zum Kämpfen eingesetzt.

Der Kapitän des Schiffes führte ein Logbuch. Hier wurden die Schiffsgeschwindigkeit und die zurückgelegte Strecke eines Tages eingetragen, aber auch besondere Vorfälle wie die Bestrafung oder Tötung eines Besatzungsmitgliedes.

Die Strafe auf Piraterie war sehr hoch. Wer als Pirat verurteilt wurde, wurde gehängt. Die Piraten nannten das den „Tanz am Hanfstrick“. Die Hinrichtung wurde öffentlich veranstaltet. Es wurde eine religiöse Zeremonie abgehalten, dann durfte der Pirat sich noch einmal an die Öffentlichkeit werden – und dann vollstreckte der Henker das Urteil. Die Piraten ließ man oft noch lange hängen, was als Abschreckung dienen sollte.[20]

So oder so ähnlich kann man sich das Piratenleben vorstellen.

Zur damaligen Zeit gab es auch einige wenige Frauen, die als Piratinnen ihr Leben geführt haben. Die bekannteste ist wohl Anne Bonny, die Ende des 17. Jahrhunderts geboren wurde. Sie heiratete einen Piraten, James Bonny, und konnte so Einblick in das Piratenleben bekommen, welches sie sehr interessierte. Doch bald verließ Anne ihren Mann um auf Bord des (damals) berühmten Piraten Calico Jack Rackham zu gehen – und zwar als Mann verkleidet. Auf Jacks Schiff befand sich bereits eine weitere, als Mann verkleidete Frau: Mary Read. Die beiden wurden Freundinnen und teilten dem Kapitän ihr Geheimnis mit. Obwohl an Bord eines Piratenschiffes eigentlich keine Frauen geduldet wurden, durften die beiden bleiben und schlugen einige blutige Schlachten zusammen mit der Crew.[21]

Ein beliebtes Geschäft der damaligen Zeit war der Sklavenhandel. Wenn Piraten ein Schiff enterten, verkauften sie die Besatzung des Öfteren in die Sklaverei. Die geschah häufig im Mittelmeer durch nordafrikanische Piraten. [22]

Anfang des 19. Jahrhunderts sollten die Piraten nochmals einen kleinen Vorteil erlangen. Mit der Einführung der Dampfschiffe waren sie nicht mehr vom Wind abhängig und konnten gezieltere Überfälle planen. Allerdings war die Marine nun so stark, dass sie die Kaperer nicht mehr brauchte. Als dann 1856 in Paris ein Vertrag in Kraft trat, durch den die meisten großen Seemächte einwilligten, keine Kaperbriefe mehr auszustellen, ging die Piraterie stark zurück.[23] Außerdem wurde der Menschenhandel mehr und mehr geächtet.[24]

So konnten sich Mitte des 19. Jahrhunderts die europäischen Großmächte durchsetzen und durch rechtliche, militärische und administrative Maßnahmen die Piraterie verdrängen.[25] Die Kolonialmächte konnten durch ihre schnellen und dampfbetriebenen Kanonenboote einen recht sicheren Küstenschutz herstellen. Außerdem gab es mehr und mehr Zollkontrollen. Wenn die Piraten ein Dampfschiff entern konnten, war das natürlich ein Vorteil für sie, aber sie mussten diese Schiffe eben auch entern da sie nicht in der Lage waren, selbst ein Dampfschiff herzustellen oder größere Reparaturen zu erledigen.[26]

Piraterie heute

Die Piraterie ging also merklich zurück, doch verschwunden ist sie bis heute nicht. In den Gewässern von Europa ist sie in der Regel nicht mehr zu finden. Hauptsächlich besteht sie noch in der Straße von Malakka und am Horn von Afrika / Somalia, aber auch in Lateinamerika werden Piratenüberfälle vermerkt. Die Piraterie tritt bevorzugt in Gebieten auf, in denen die Staatsgewalt nicht intakt ist. [27]

Der Piraterie – Bericht des „Piracy Reporting Centers“ hat im Jahr 2007 263 Piraten-Überfälle gemeldet. Die meisten davon in Afrika (120), 69 in Asien.[28]

Die Straße von Malakka verbindet den indischen Ozean mit dem Pazifik und ist die am meisten befahrene Schifffahrtsstraße überhaupt. Die Piraterie konnte dort in den letzten Jahren stark reduziert werden, und zwar durch regelmäßige Patrouillenfahrten und die Präsenz militärischer Kräfte.

Am Horn von Afrika greift die dortige Staatsmacht nicht ein, da sie nicht intakt ist. Andere Staaten halten sich zurück, weil die Rechtslage zur Bekämpfung der Piraterie nicht eindeutig ausgelegt ist. Trotzdem rief der UN-Sicherheitsrat am 02. Juni 2008 „alle seefahrenden Mächte zur Bekämpfung der Piraterie am Horn von Afrika“ auf. Außerdem besteht die Überlegung, einen internatonalen „Piratengerichtshof“ zu erschaffen, womit deren Verurteilung geklärt wäre.[29]

Die Motive der Piraterie von damals und heute sind die gleichen: Geld und Wohlstand. Unterschiede bestehen hauptsächlich in der Methodik. Natürlich gibt es heute auch noch Diebstähle auf den im Hafen liegenden Schiffen, aber auf hoher See arbeiten die heutigen Piraten mit technisch guten und modernen Geräten. Sie sind im Besitz von Schnellbooten und Waffen, mit denen sie nachts Schiffe überfallen und ausrauben können. Es kommt auch vor, dass sie die Schiffe in Brand stecken und die Besatzung kidnappen oder töten. „Shipjacking“ ist eine weitere Möglichkeit, sich Schiffe anzueignen. Dabei wird die Besatzung des Schiffes von den Piraten von Bord entfernt, damit diese das Schiff dann stehlen und unter falschem Namen für ihre Zwecke einsetzen können. Piraten zu erwischen ist nicht so einfach, da viele Opfer eines Überfalls diesen gar nicht melden um die Versicherung nicht in die Höhe zu treiben und um keine Aufträge zu verlieren. Desweiteren kommt es vor, dass die Behörden, die für den Fall zuständig sind, korrupt sind.[30]

Zusammenfassend könnte man also sagen, dass sich die Piraterie nicht grundlegend verändert hat. Die Methoden von heute sind zwar andere als damals und es werden in der modernen Seeräuberei ach keine Kaperbriefe mehr ausgestellt, aber dennoch geht es den Piraten um den Gewinn, den sie machen. Und wenn der Staat sie auch nicht mehr dazu auffordert, Piraterie zu betreiben, so kann er aufgrund einer schlechten Regierungsform (oder auch gar keiner) trotzdem der antreibende Faktor sein.


Quellen:

URL: http://www.timeforhistory.de/wasser/piraten/gesetze.htm | 06.01.2009, 12:57Uhr

URL: http://lexikon.meyers.de/wissen/Piraterie+(Sachartikel)#Piraterie(Sachartikel)-Recht | 06.01.2009, 13:13 Uhr

URL: http://www.tagesschau.de/ausland/piraten162.html | 06.01.2009

URL: http://www.planet-wissen.de/pw/Artikel,,,,,,,F8695DB4992A71FEE0340003BA5E0905,,,,,,,,,,,,,,,.html | 06.01.2009, 11:45 Uhr

URL: http://www.stoertebeker-online.de/piraterie-geschichte.html | 06.01.2009, 11:45 Uhr

URL: http://www.muenster.de/~voigt/piratenleben.html | 06.01.2009, 12:11Uhr

URL: http://www.songtexte-lyric.de/songs/Traditionelle_Volkslieder_Seemannslieder_-_15_Mann_auf_des_toten_Manns_Kiste | 06.01.2009, 12:38Uhr

URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Piraterie | 06.01.2009, 11:45 Uhr


[2] Vgl. URL: http://www.stoertebeker-online.de/piraterie-geschichte.html | 06.01.2009, 11:45 Uhr

[3] Mit Riemen [Ruderblättern] und einem Rammsporn versehenes Kriegsschiff; vgl URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Galeere | 06.01.2009, 15:21Uhr

[4] Vgl. URL: http://de.wikipedia.org/wiki/Geschichte_der_Piraterie | 06.01.2009, 11:45 Uhr

[5] siehe [1]

[6] Vgl. URL: http://www.planet-wissen.de/pw/Artikel,,,,,,,F8695DB4992A71FEE0340003BA5E0905,,,,,,,,,,,,,,,.html | 06.01.2009, 11:45 Uhr

[7] siehe [1]

[8] siehe [5]

[9] Siehe [2]

[10] Siehe [1]

[11] Siehe [6]

[12] Siehe [2]

[13] Vgl. URL: http://www.muenster.de/~voigt/piratenleben.html | 06.01.2009, 12:11Uhr

[14] Siehe [6]

[15] Siehe [6];vgl. URL:  http://de.wikipedia.org/wiki/Bukanier | 07.01.2009, 10:38Uhr

[16] Siehe [1]

[17] URL: http://www.modellskipper.de/Archive/Maritimes/Dokumente/maritime_Begriffe_Abschnitt_bb_bi/Bilgenwasser.htm | 07.01.2009, 11:54Uhr

[18] Siehe [13]

[19] URL: http://www.muenster.de/~voigt/piratenregeln.html | 06.01.2009, 12:15Uhr

[20] Siehe [13]

[21] Vgl.  URL: http://www.muenster.de/~voigt/annebonny.htm | 07.01.2009, 11:08Uhr

[22] Siehe [1]

[23] Siehe [13]

[24] Siehe [4]

[25] Siehe [1]

[26] Siehe [4]

[27] Siehe [1]

[28] Siehe [6]

[29] Siehe [1]

[30] Siehe [6]

Verhältnismäßigkeit der Mittel

Seit Freitag sieht die Startseite der Deutschen Wikipedia so aus:

weil sich der Politiker der Linkspartei, Lutz Heilmann, durch einen Artikel in seinen Rechten verletzt sah, was das Landgericht in Lübeck auch bestätigte.

Eine Verhältnismäßigkeitsprüfung fiel in Lübeck wohl aus: Wegen einem Artikel wird eine ganze Adresse gesperrt, über die 826.965 Artikel zu erreichen wären?

Ich will keinem Rechtsutilitarismus das Wort reden – aber die Analogie wäre doch, dass eine ganze Bibliothek geschlossen wird, weil in einem dort eingestelltem Buch ein Artikel zu beanstanden ist. Natürlich kann wikipedia auch über die Domain http://de.wikipedia.org erreicht werden und dort ist auch der Artikel über Heilmann weiter zu finden – der Schaden für eine Site wie wikipedia und deren Nutzer/innen ist demnach relativ gering. Um die Analogie weiter zu strapazieren: das Landgericht hat den Haupteingang zugemacht – alle Nebeneingänge blieben jedoch offen. Schön, wenn man Nebeneingänge hat. Denn: Sollte es mit einer solchen Verfügung ein kleineres Würstchen treffen, ist Schicht.

Mich erstaunt, wie es hierzu kommen konnte.

Geeignet ist die Maßnahme nur auf den ersten Blick, da die Inhalte ja über den US-Server weiter abzurufen sind. Auch bei der Erforderlichkeit sehe ich Probleme: Eine komplette Site aus dem Netz zu nehmen – da hätte es durchaus andere technische Lösungen gegeben, die weniger in die Rechte der Betroffenen eingreifen. Eine Angemessenheitsprüfung hätte dann ja noch zeigen können, dass das Recht auf freie Meinungsäußerung schwerer wiegt. Muss ich überhaupt noch die Erforderlichkeit und Angemessenheit prüfen, wenn die Maßnahme bei der Geeignetheitsprüfung schon durchgefallen ist? So weit ich weiß nicht.

Evtl. gibt es ja einen Juristen der mir das erklärt.

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